„Positive Impulse für queere Gläubige, aber auch Ambivalenzen“
„Positive Impulse für queere Gläubige, aber auch Ambivalenzen“ - mit diesen Worten titelte das „Katholische LSBT+ Komitee“ seinen Nachruf auf den verstorbenen Papst Franziskus und wies darauf hin, dass „die Bilanz von Papst Franziskus bezüglich queerer Menschen und queerer Gläubiger hoch ambivalent“ ausfalle. Der Co-Sprecher des Komitees, Hendrik Johannemann, ergänzte: „Gerade mit Blick auf seine Amtsvorgänger kann man Papst Franziskus wohl als den besten Papst bezeichnen, den queere Gläubige jemals hatten. Er hat direkt mit queeren Menschen telefoniert, ihnen persönliche Briefe geschrieben und einzelne queere Gruppen und queerfreundliche Seelsorger:innen im Vatikan empfangen. Papst Franziskus hat einen atmosphärischen Wandel in der römisch-katholischen Kirche angestoßen, der kaum hoch genug gewertet werden kann. Er war an vielen Stellen ein zugewandter Seelsorger für die Schwächsten und Ausgegrenzten, auch für queere Gläubige.“
Die US-Amerikanische katholische Organisation „New Ways Ministry“ wies darauf hin, dass Papst Franziskus „mit einfachen Worten und sanften Gesten“ die katholische Kirche „kraftvoll dazu bewegt“ habe, ein einladenderes Zuhause für LGBTQ+-Menschen zu werden. Franziskus sei nicht nur der erste Papst gewesen, der das Wort "schwul" verwendete, wenn er über LGBTQ+-Menschen sprach, er sei auch der erste Papst gewesen, „der liebevoll und zärtlich zu ihnen sprach“. Seine Empfehlung an Seelsorger und Kirchenleitende, LGBTQ+-Menschen zu begleiten, ihnen zuzuhören und mit ihnen in Dialog zu treten, „hat Türen geöffnet, die durch die Homophobie und Transphobie früherer Päpste verschlossen worden waren“, so die Organisation.
Von den ersten Monaten seines Pontifikats an, als er auf eine Frage das inzwischen ikonische "Wer bin ich, um zu urteilen?" aussprach, über zahlreiche bekräftigende pastorale Botschaften an einzelne LGBTQ+-Menschen bis hin zu seiner Unterstützung für zivile Partnerschaften und seiner Verurteilung von Kriminalisierungsgesetzen „hat Papst Franziskus die Kirche unumkehrbar verändert“.
Sowohl das Katholische LSBT+ Komitee als auch New Ways Ministry sehen allerdings auch Ambivalenzen in der Sicht des verstorbenen Papstes auf Geschlechtsidentität und Transgender-Fragen. „Sein Hin und Her zeigte keine wahre Anerkenntnis der unverletzlichen und gottgegebenen Würde queerer Menschen. Besonders sein Festhalten am Heraufbeschwören einer angeblichen ‚Gender-Ideologie‘ in der Erklärung ‚Dignitas Infinita‘ aus dem Jahr 2024 zeigt, dass der Vatikan weiter ohne Blick nach außen einer Ideologie anhängt, die die Würde und die Menschenrechte von trans- und intergeschlechtlichen, nicht-binären sowie homo- und bisexuellen Menschen verletzt“, so das Komitee.
In dem Dokument „hielt sich der Pontifex eng an die Geschlechterbinarität zwischen Mann und Frau und bezeichnete jedes neuere Verständnis von Geschlechtsidentität als ‚Gender-Ideologie‘ oder ‚ideologische Kolonisierung‘“, schrieb New Ways Ministry. „Sein Missverständnis und seine Fehlcharakterisierung der Geschlechtsidentität hinderten Papst Franziskus jedoch nicht daran, mit Mitgefühl auf Transgender-Menschen zuzugehen und die Menschen ständig dazu aufzurufen, die diesen Minderheiten innewohnende Menschenwürde zu respektieren“.
(jp/22.4.2025)